„Und was machst Du nach der Schulzeit?“
„Definitiv aus Braunlage wegziehen!“
So lautet einst meine Antwort auf die Frage, wie es nun nach meiner Schulzeit weitergehe.
Die überwiegende Mehrheit meines Freundes- und Bekanntenkreises befürwortet dieses Vorhaben. Das liegt nicht daran, dass es uns in Braunlage nicht gefällt. Ganz im Gegenteil: Braunlage und die umliegenden Städte und Dörfer des Harzes bieten uns im Hinblick auf Erholung und Freizeit in der Natur so einiges.
Allerdings gibt es für uns keine Perspektive – sowohl beruflich als auch privat.
Keine Jobvielfalt und kein attraktives Leben in der Stadt.
Auch ist nicht absehbar, dass sich daran in geraumer Zeit etwas verändern wird.
Es fehlt schlicht und ergreifend eine Vision für den Harz.
Alles bleibt beim Alten.
Die Entscheidung getroffen, verlasse ich den Harz und denke über diese Tatsache nicht weiter nach. Das ist nun einmal so. Damit musst Du Dich abfinden.
Entweder oder.
Bis ich vor einem Jahr eine längere Zeit im Harz, insbesondere in Braunlage, verbringe. Das Gefühl von Heimat steigt erneut empor, bleibt aber nur dann präsent, wenn ich durch die Harzer Wälder ziehe.
Erst wenn ich nicht in Braunlage bin,
fühle ich mich in Braunlage wohl.
Klingt paradox, aber spiegelt genau den Zwiespalt wider, zwischen dem ich mich befinde. Zwar hat sich die Oberfläche verändert, vieles wurde modernisiert und neue Attraktionen sind hinzugekommen. Aber tief im Inneren ist alles wie zuvor. Erholung und Urlaub: Nur damit wird der Harz in Verbindung gebracht. Der Fokus ist und bleibt der Tourismus.
Stillstand ist Rückschritt.
Selbst jetzt, ein Jahr später, nachdem die Haupteinnahmequelle Tourismus für den Harz fast komplett weggebrochen ist, hat sich nichts verändert. Das macht mich wirklich stutzig.
Sollte das letzte Jahr nicht Weckruf genug gewesen sein, im Harz anzupacken und auch die (künftigen) Bürger:innen in die Stadtentwicklung mit einzubeziehen? Was wird für sie und ihr Leben im Harz geboten?
Anstatt sich darüber Gedanken zu machen, eine Vision mitsamt dazugehörigen Konzepten zu entwickeln, und die richtigen Menschen zusammenzubringen, höre ich von neuen Ressorts und weiteren Attraktionen, für die meist auch noch die Natur daran glauben darf. Selbst die Jugend strebt weiterhin danach, den Harz nach ihrer Schulzeit zu verlassen.
Hej! Aufwachen, lieber Harz!
So geht das nicht weiter!
Das Ungleichgewicht.
Ja, der Tourismus ist richtig und wichtig – für jede Stadt! Du kennst es sicherlich auch: Ab und an musst Du Deine gewohnte Umgebung verlassen, etwas Neues sehen und erleben. Reisen hilft Dir Deinen Horizont zu erweitern, neue Erfahrungen zu sammeln und den Alltag hinter Dir zu lassen, um nur einige Vorteile zu nennen. Du und ich, wir kennen es beide und machen es nur zu gerne. Aber das ist nur eine von insgesamt zwei Waagschalen!
Tourismus ist volatil. Menschen kommen und Menschen gehen. Für eine attraktive Stadt bzw. Region ist die andere Waagschale aber genauso wichtig. Die Konstante, bestehend aus den dort lebenden Bürger:innen, trägt ebenso zur Attraktivität und Lebensqualität des Harzes bei. Und diese andere Waagschale wurde in den letzten Jahren bis heute konsequent vernachlässigt!
Wie sähe der Harz wohl aus, wenn die Waage aus Tourist:innen und einheimischen Bürger:innen ins Gleichgewicht käme?
Können nicht beide Seiten die Vorzüge des Harzes genießen und
sogar voneinander „profitieren“?
Wäre das nicht eine Win-Win-Situation?
Es muss etwas passieren.
Ein Jahr später sind aus meiner anfänglichen Enttäuschung und Wut mittlerweile Tatendrang geworden. Anstelle von Kopfschütteln und Unverständnis stelle ich mir die Frage:
Worauf warte ich noch? Darauf, dass jemand ähnliche Gedanken hegt? Darauf, dass jemand etwas verändert? Diese Hoffnung hatte ich jahrelang und es ist nichts passiert.
Jene, die Entscheidungsgewalt besitzen und Verantwortung tragen, ändern an den Umständen nichts.
Vielleicht, weil sie es ihnen nicht auffällt.
Vielleicht, weil es sie nicht interessiert.
Vielleicht, weil es ihnen kurzfristig gedacht keinen Profit einbringt.
Die Gründe dafür kenne ich nicht. Eines Tages werde ich sie noch herausfinden müssen. Für meine Vision vom zukünftigen Harz sind sie aber vollkommen irrelevant.
Meine Vision kennt zunächst erstmal keine Schranken, sondern vielmehr Chancen und Möglichkeiten. Chancen und Möglichkeiten für alle Menschen im Harz, konkret für Besucher:innen UND Bürger:innen.
Warten ist keine Option mehr.
Es muss etwas passieren. Und zwar jetzt!
Denn meines Erachtens geht es auch anders. Besser. Und zwar für alle Parteien.
Davon bin ich ganz fest überzeugt!
Meine Vision.
Nein, ich möchte aus dem Harz kein zweites Berlin, Hamburg oder München entstehen lassen. Der Harz soll Harz bleiben mit dem Charme, der ihm innewohnt. Mein Bestreben ist es, dass der Harz den Bürger:innen neben Erholung und Ruhe auch eine Perspektive zum Leben bietet. Hierfür sehe ich vier zentrale Kernthemen, die dafür in Angriff genommen werden müssen:
V1: Bildung
Neben den bestehenden Einrichtungen stelle ich mir weitere Bildungs- und Forschungszentren für die Region Harz vor, die sich thematisch in das Gesamtkonzept integrieren. Welche Expertise werden wir zukünftig im Harz benötigen, die bestmöglich vor Ort erforscht und gelehrt werden kann? Das ist die zentrale Leitfrage zur Beantwortung des Themas Bildung im Harz.
V2: Wirtschaft
Mit Hilfe von Innovations- und Gründerzentren sowie Co-Working Spaces kann die wirtschaftliche Entwicklung des Harzes weiter gefördert werden. Neben dem Tourismus wird somit auch das Thema Wissensökonomie zur Attraktivität des Harzes beitragen und gleichzeitig (jungen) Einheimischen Jobaussichten (nach der Schulzeit) bieten.
V3: Gemeinschaft
Diverse Treffpunkte und vielfältige Angebote zur Ausübung gemeinsamer Interessen von Jung bis Alt tragen zu einem Austausch unterhalb der Einheimischen, aber auch zwischen Einheimischen und Besucher:innen bei. Gleichgesinnte erhalten somit die Möglichkeit, in einer Gemeinschaft etwas zu erschaffen oder zu erleben.
V4: Mobilität
Insellösungen adé: Durch alternative Mobilitätskonzepte soll eine größere Vernetzung und Erreichbarkeit zwischen Nachbarorten und größeren Städten ermöglicht werden.
Im Kern geht es mir darum, junge, frische Ideen in der Harzer Region umzusetzen, damit die dortigen Städte wieder mit Leben gefüllt werden. Jung und Alt treffen aufeinander und gleichzeitig lassen sich Arbeit und Freizeit ideal miteinander verknüpfen.
Stichwort: Urbane Lebendigkeit.
Fazit.
„Und was machst Du nach der Schulzeit?“
„Definitiv in Braunlage bleiben!“
Diese Antwort wünsche ich mir künftig von jungen Menschen, auf die Frage nach ihrem weiteren Weg. Mein Ziel ist es, dass der Harz es sich zur Aufgabe macht, seinen Bürger:innen und künftigen Generationen beruflich und privat eine Zukunftsperspektive zu bieten, sodass diese gerne weiterhin dort wohnen bleiben möchten.
Dieses Vorhaben werde ich natürlich nicht alleine stemmen können!
Es braucht weitere Visionäre, kreative Köpfe, Wissensträger, Entscheider, Macher und auch finanzielle Unterstützung. Aber ganz im Sinne des Mottos „Frag nicht, was Deine Stadt für Dich tun kann, sondern Du für Deine Stadt!“ möchte ich das Thema ins Rollen bringen.
Den Anfang möchte ich mit meiner Heimatstadt Braunlage bestreiten.
Sie soll als „Prototyp“ für die neue Stadtentwicklung dienen, um die dort erfolgreich umgesetzten Ideen auch auf weitere Orte des Harzes zu übertragen. In Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten sollen tolle, lebenswerte Konzepte entwickelt und gemeinsam umsetzt werden.
Wenn nicht wir, wer dann?
Wenn nicht jetzt, wann dann?
Was sind Deine Gedanken zu dem Thema?
Hast Du Ideen, die unbedingt in die Vision für den Harz integriert werden sollen?
Hinterlasse mir gerne einen Kommentar und verrate es mir!
Sofern Du ganz konkrete Pläne hast, melde Dich auch gerne über meine Kontaktseite bei mir!
Hallo Sara,
Ich habe letztens mit meiner Tochter zusammengesessen und wir haben festgestellt, das es definitiv keine Möglichkeiten zum Tanzen, Raven, Treffen für junge Menschen mehr gibt- auch in Wernigerode und Umgebung. Zu ihrer Jugendzeit gab es ca. 10 Möglichkeiten. Sie wurden alle durch überbürokratische Regeln geschlossen. Es gibt noch nicht mal mehr eine Studentenkneipe. Es war den Anwohnern zu laut. Aus diesem Grund wurde auch das „Humphrey „ geschlossen, das haben wir mal betrieben.
Viele alte Menschen treffen Entscheidungen und Kunkeln rum.
Das ist der ist Zustand. Wernigerode hat sich meiner Meinung nach auch nicht positiv entwickelt.
Vielleicht kann man erstmal eine Liste machen, was jungen Menschen konkret fehlt. Warum viele Dinge einfach verschwunden sind.
Dann braucht man ein gutes Netzwerk, vielleicht eine Gemeinschaft: Vision Harz neu denken… oder so.
Dann an die richtigen Leute rangehen, die Entscheidungen treffen können. Da musst du eine kleine Greta Tumberg werden. 🙂
Ich unterstütze dich gern…
wir können ja mal wieder telefonieren.
Liebe Grüße
Marita.
Hej liebe Marita,
danke für Deine Offenheit, diese sehr persönliche Geschichte hier zu teilen!
Das von Dir beschriebene Vorgehen möchte ich definitiv auch ins Konzept für den künftigen Harz integrieren. Es kann ja nicht nur umgesetzt werden, was mir auffällt und fehlt. Es soll ja ein Harz von und vor allem für die Harzer:innen sein! Deshalb sind Gespräche mit unterschiedlichen Personen, gerade der jungen Generation, unerlässlich! Da stimme ich Dir voll und ganz zu.
Das Thema Netzwerken wird vermutlich die größte Challenge. Bislang kenne ich wenige Menschen, die ähnlich denken und auch handeln wollen. Deshalb muss parallel zur Konzeptentwicklung auch für das Thema Sensibilisierung angegangen werden. Wie bei allem Neuen sind meine Gedankengänge vielen noch fremd. Welche Vorteile das hat, muss eben auch den letzten Kritikerin deutlich gemacht werden.
Es wird ein langer und harter Weg. Aber ich bin davon überzeugt. Und Du wirst mit Sicherheit auch einen Teil dazu beitragen!
Danke für Deine Unterstützung!
Liebe Grüße,
Sara